Wenn die erfolgreiche Flucht mit dem Schiffbruch der Ehe endet
Flüchtlinge können im Prinzip das Scheidungsrecht frei wählen.
Die Flüchtlingssituation stellt auch die Rechtsprechung vor neue Aufgaben. Scheidungen von ausländischen Ehepaaren sind immer eine Herausforderung. Die Entscheidungsfreiheit der Eheleute bei der Rechtswahl ist oberstes Gebot.
Will ein Flüchtlingspaar sich scheiden lassen, muss es die Frage nach der Rechtswahl beantworten. Welches Recht soll bei der Scheidung Anwendung finden? Die Rom-III-Verordnung Nr. 1259-2010 stärkt die Entscheidungsfreiheit der ausländischen Ehepaare. Sie können prinzipiell selbst das Scheidungsrecht wählen. Ist einer der Ehepartner Syrer, kann syrisches Recht gewählt werden. Der deutsche Familienrichter wird die Scheidung nach syrischem Recht durchführen müssen.
Vereinbart das Flüchtlingspaar keine Rechtswahl, so wird das folgende Schema zur Bestimmung des Scheidungsrechts herangezogen:
- Zuerst gilt das Recht des Staates, in dem beide Ehepartner zum Zeitpunkt ihres Scheidungsantrags ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Wenn das syrische Paar sich in Deutschland aufhält, wird deutsches Scheidungsrecht angewendet.
- Haben die Eheleute keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt mehr, dann ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Wenn die Partner keine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen, dann gilt deutsches Scheidungsrecht.
- Wenn die Stufe 2 nicht vorliegt, dann kommt das gemeinsame Heimatrecht zum Zeitpunkt der Anrufung des deutschen Familiengerichts zur Anwendung. Das syrische Ehepaar kann sich auf das syrische Recht berufen.
- Trifft keine der vorgenannten Stufen zu, dann gilt wieder das Recht des Staates des angerufenen Gerichts. Das syrische Flüchtlingspaar hat das deutsche Familiengericht angerufen. Es gilt deutsches Scheidungsrecht.
Falls die Eheleute das Scheidungsrecht ihres Heimatlandes vereinbart haben, prüft das deutsche Gericht auch die Scheidungsvoraussetzungen nach diesem Recht. Teilweise werden bestimmte Gründe gefordert, ohne die eine Scheidung nicht ausgesprochen wird. Muss ein deutscher Richter die Scheidung nach ausländischem Scheidungsrecht beurteilen, hat er mehrere Hürden zu nehmen: die Sprache ist ihm fremd, der Kontext der Gesetzestexte ist ihm fremd und die Konsequenzen, die ein Rechtssatz für das Schicksal eines Ehepartners haben, sind ihm fremd.
Ausländisches Recht kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn sein Inhalt den Prinzipien des deutschen Scheidungsrechts eklatant widerspricht. Das wird gerade höchstrichterlich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Fall einer Scharia-Scheidung geprüft. Der EuGH klärt, ob und inwieweit die Rom III-Verordnung Nr. 1259/2010 auch auf sogenannte „Privatscheidungen“ nach dem Scharia-Recht anwendbar ist.
Vor der Scheidung kommt immer die Trennung. Auf die Aufenthaltssituation des syrischen Ehepaares hat das zunächst keinen Einfluss. Erst nach der Scheidung ändert sich die Situation. Ein Ehepartner erwirbt ein eigenständiges Bleiberecht nach der Scheidung, wenn:
- die Ehe drei Jahre bestanden hat und sich der Partner mindestens ein Jahr in Deutschland aufgehalten hat oder
- der Aufenthalt erforderlich ist, um eine besondere Härte zu vermeiden oder
- der Ehepartner das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind hat oder
- der Ehepartner für diese Kind ein Umgangsrecht hat und gerichtlich festgestellt wird, dass dieser Umgang nur in Deutschland sinnvoll ausgeübt werden kann.
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